Sprachkultur des modernen Fußballs

Der deutsche Fußballsport im Jahr 2014 drei Monate vor der Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien am Zuckerhut. Klar überwiegt als Fußball-Fan die Vorfreude auf das sportliche Momentum des traditionsreichsten und prestigeträchtigsten Fußball-Event dieses Planeten, doch stellt man sich als Fan nicht auch die berechtigte Frage: Was ist nur aus unserem geliebten Sport geworden?

„Emotional Trainer“ und „Future-Man“

sprachkultur des modernen fussballs

Früher-Heute Vergleich

Die Spirale der medienwirksamen Aufmerksamkeit und der damit verbundenen stark wachsenden wirtschaftlichen Bedeutung des Fußballs ist nicht mehr aufzuhalten. Als Fan sollte man an dieser Stelle nicht vergessen, dass dieser Aspekt in Verbindung mit den „Neuen Medien“ aber auch viele Vorteile mit sich bringt: So können z.B. nicht nur alle Spiele der 1. und 2. BUNDESLIGA im bezahlbaren Sky-Sportfernsehen verfolgt werden, sondern auch mehrere Spiele der 3. Liga können als Service der öffentlich-rechtlichen Fernsehesender live und in voller Länge im Internet rezipiert werden. Vor Jahren unvorstellbar…

Aber eine kritische Betrachtung der deutschen Sprachkultur des einstmals einfachen Fußballsports ist übefällig: Da definiert Ex-Torwart-Titan Oliver Kahn im ZDF-Interview nach dem Champions League Hinspiel von Borussia Dortmund gegen Real Madrid BVB-Trainer Jürgen Klopp aufgrund seiner gereizten und dünnhäutigen Antworten auf die Fragen des ZDF Reporters Jochen Breyer als „Emotional Trainer“.

Auf der abschließenden Pressekonferenz vor dem Duell des VfL Wolfsburg gegen Borussia Dortmund outet sich Wölfe-Coach Dieter Hecking aufgrund seiner ablehnenden Haltung zur Einführung der Torlinientechnik als „Nicht-Future-Man“.

Moderne Fußballsprache

Abgesehen von den Anglizismen wird die deutsche Sprache im Fußballsport in diesen Zeiten von Begriffen wie „schnelles Umkehr-, Vertikalspiel“, „falsche Neun“ oder  „Verbindungsspieler“ geprägt. Vor allem die jungen deutschen Trainer mit exzellenter fachwissenschaftlicher Ausbildung und abgeschlossener Fußball-Lehrer-Lizenz übertreffen sich da in der Findung immer wieder neuer Wortneuschöpfungen. Wo sind die früheren guten alten Motivationssprüche der „älteren“ Trainergarde geblieben, die jeder Fußball-Fan sofort verstand und mit der jeder sich sofort identifizieren konnte.

Ein Früher-Heute Vergleich:

Früher: „Männer, jetzt wird rausgegangen und wird sich wieder formiert. Ohne Ordnung hauen die uns den Laden voll.“ (Rolf Schafstall)
Heute: „Wir wollen variabel bleiben. So haben wir beispielsweise in allen Testspielen zur Halbzeit auf eine flache Vier umgestellt.“ (Jens Todt)


Früher: „Unsere Spieler können 50-Meter-Pässe spielen: fünf Meter weit und 45 Meter hoch.“ (Uwe Klimaschewski)
Heute: „Das Vertikalspiel muss wieder besser werden.“ (Mirko Slomka)


Früher: „Der Schuss, des war ’n Hundsfotzendingens.“ (Ede Geyer)
Heute: Wir haben die Klarheit in der letzten Zone vermissen lassen.“ (Jürgen Klopp)


Früher: „Es gibt nur einen Ball. Wenn der Gegner ihn hat, muss man sich fragen: Warum? Ja, warum? Und was muss man tun? Ihn sich wiederholen.“ (Giovanni Trapattoni)
Heute: „Wir nehmen das reaktive Element als Basis unseres Spiels weiterhin total an.“ (Thomas Tuchel)


Früher: „Ihr könnt ins Trainingslager Eimer zum Kotzen mitnehmen.“ (Peter Neururer)
Heute: „Wir werden im Trainingslager mannschafts- und gruppentaktisch sehr schnell und früh Gas geben müssen.“ (Robin Dutt)

Die Sprache als Spiegel unserer Gesellschaft. An dem „Früher-Später“ – Vergleich wird deutlich welche Gesellschaftsschichten im Zeitverlauf den Fußballsport für sich entdeckt haben. Gilt Tennis früher wie auch heute als elitärer Volkssport hat der Fußball eine Entwicklung hingelegt und das Interesse mittlerweile aller Gesellschaftsschichten erreicht.

Neben den positiven Effekten führt eine solch signifikante Reichweite zwangsläufig zu einem erhöhten Interesse der werbetreibenden Industrie im Speziellen, des Kapitalismus im Allgemeinen.

Die Sprachkultur des modernen Fußballs ist ein klares Indiz hierfür, die Auswüchse ziehen sich bis zum immens unter Korruptionsverdacht stehenden Weltverband FIFA: Die WM-Vergabe der WM 2022 nach Katar scheint bis heute ein unklares Geflecht aus unklaren politischen Entscheidungen der Funktionäre zu sein.

Die investigative Reportage „Das Fussball-Imperium – Die Geschäfte der FIFA“ in der Reihe ZDF Zoom untersuchte dabei die Strukturen des FIFA-Weltverbandes. Für alle, die die Reportage gesehen haben, gibt es hier eine interessante Stellungnahme des FIFA von Walter De Gregorio, FIFA Direktor für Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit: Stellungnahme der FIFA zur ZDF Zoom Reportage.

Bei aller Vorfreude auf die WM 2014 in Brasilien: jeder Fan tut gut daran das Groß-Event im Sommer mit einem Schuss Empathie zu verfolgen.