Ein Kommentar zum Abschied von Michael Ballack aus der Nationalmannschaft:
Am Donnerstag, dem 16.06.2011 endete mit der Verkündung von Joachim Löw die Nationalmannschaftskarriere des langjährigen „Capitanos“ Michael Ballack.
Ein Spieler, der über lange Zeit innerhalb der deutschen Elite-Auswahl als der einzige Spieler galt, dem das Prädikat „Weltklasse“ zugesprochen wurde.
Unvergessen in Erinnerung vieler Fußballfans bleiben Ballacks entscheidende Kopfballtore während der Fußball-WM 2002 in Japan und Südkorea, die den Weg ins Finale gegen Brasilien ebneten.
Das Endspiel selbst verpasste er, da er im Halbfinale zuvor mit einem taktischen Foul, ganz im Sinne der Mannschaft, eine gelbe Karte riskierte, die eine Sperre im nächsten Spiel nach sich zog.
Ebenfalls unvergessen bleiben Ballacks Tränen nach seinem Eigentor gegen die SpVgg Unterhaching am letzten Bundesligaspieltag, welches die Vizemeisterschaft für Bayer Leverkusen und den Titelgewinn der Münchener Bayern bedeutete.
Ebenso in diese Reihe der bitteren Niederlagen gehörte die Pokal-Niederlage gegen Schalke 04 im gleichen Jahr sowie die vermeidbare Champions-League-Niederlage gegen Real Madrid 2002 im Glasgower Hampden Park, welche ihm den Spitznamen „Vize-Ballack“ einbrachte.
Mit Chelsea London verlor er überdies das Champions-League-Finale gegen Manchester United im Elfmeterschießen, als er seinen Elfer, wie so häufig in seiner Karriere, sicher verwandelte, aber seine Mitspieler im entscheidenene Moment Nerven zeigten.
Auch die Karriere in der Nationelf verlief mit Auf und Ab´s: Vor allem Verletzungen machten ihm häufig einen Strich durch die Rechnung, sei es im Eröffnungsspiel gegen Costa Rica bei der WM im eigenen Land oder das „Brutalo-Foul“ von Kevin Prince Boateng vier Jahre später kurz vor der Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika, was ihm die Teilnahme kostete.
Seit der WM 2010 also, wo sich viele junge deutsche Spieler in den Vordergrund spielten, führte die Öffentlichkeit eine lähmend lange Diskussion über die Rechtfertigung und Rolle Ballacks in der zukünftigen deutschen Mannschaft. Lange Zeit verblieb Bundestrainer Löw, angesprochen auf die Personalie Ballack, in Worthülsen und „Informationshappen“, dass er Gespräche mit seinem langjährigen Kapitän führe.
Fast ein Jahr nach WM-Ende, am 16.06.2011, verkündete Löw seine Entscheidung (Quelle: dfb.de):
„Die vergangenen Monate haben gezeigt, dass viele junge Spieler in den Blickpunkt gerückt sind und gute Perspektiven besitzen. Mit ihnen ist die Entwicklung der Nationalmannschaft seit der WM 2010 in Südafrika absolut positiv verlaufen.
Nachdem ich diese Thematik mit Michael Ballack zuletzt bei unserem Treffen Ende März 2011 in aller Offenheit erörtert habe und wir danach mehrfach telefoniert haben, ist nun vor dem Start in die EM-Saison der Zeitpunkt gekommen, hier klar Position zu beziehen.
In unseren Gesprächen hatte ich den Eindruck, dass Michael durchaus Verständnis für unsere Sichtweise hat. Im Interesse aller ist daher jetzt eine ehrliche und klare Entscheidung angebracht.“
Darauf konterte Ballack (Quelle: kicker.de) :
„Ich habe gestern im Urlaub durch eine Pressemitteilung des DFB erfahren, dass der Bundestrainer nicht mehr mit mir plant. Form und Inhalt der Nachricht überraschen und enttäuschen mich zugleich, weil sie die vom Bundestrainer mir gegenüber gemachten Aussagen in keinster Weise widerspiegeln.
Form und Inhalt der Mitteilung sind leider bezeichnend dafür, wie sich der Bundestrainer mir gegenüber seit meiner schweren Verletzung im Sommer letzten Jahres verhalten hat. Wenn jetzt so getan wird, als sei man mit mir und meiner Rolle als Kapitän der Deutschen Fußball-Nationalmannschaft jederzeit offen und ehrlich umgegangen, ist das an Scheinheiligkeit nicht zu überbieten.
Und ein längst vereinbartes Freundschaftsspiel jetzt als Abschied zu deklarieren, ist aus meiner Sicht eine Farce. Ich weiß, dass ich meinen Fans dieses Spiel eigentlich schuldig bin, aber ich kann dieses „Angebot“ nicht annehmen.“
Ein fader Beigeschmack bleibt.
Spieler einer deutschen DFB-Auswahlmannschaft sollten nach Leistung und nicht nach Alter, Charakter oder sonstigen demografischen Eigenschaften nominiert werden. Da Ballack bis heute nach seiner schweren Verletzung sein volles Leistungsniveau nicht mehr erreichen konnte, stellt sich die Frage nach Art und Zeitpunkt dieser Entscheidung durch den DFB in Person von Joachim Löw.
Ballack spielt nächstes Jahr Champions League und wird in einem körperlich fitten Zustand immer noch über herausragende fußballerische Fähigkeiten und jede Menge internationale Erfahrung verfügen. Kann ein Spieler dieses Formats der deutschen Mannschaft nicht mehr weiterhelfen?
Wie konnte Bundestrainer Löw dies final beurteilen? Jetzt ist die Tür zu, Löw hält sich die „Option Ballack“ nicht mehr offen, wohlwissend um die Tatsache, dass immenser Druck von außen entstehen kann, sollte Michael Ballack eine überragende nächste Bundesliga-Saison spielen.
Die massive Reaktion Ballacks („An Scheinheiligkeit nicht zu überbieten“ – Quelle: kicker.de) lässt den Schluss zu, dass dieses Tischtuch aber wohl endgültig zerschnitten ist.